Wer Kinder hat, ist doch selber Schuld. Dieser Bullshit tummelt sich vorwiegend seit Corona in sämtlichen Foren und Gruppen, in Kommentarspalten und in Nachrichten. Familien pfeifen aus dem letzten Loch. Vorstellen können sich das viele Kinderlose oder ältere Menschen nur schwer: “Früher hats ja auch geklappt!”
Wer kennt den Spruch “Um Kinder großzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf”?
Leider ist aus dem Dorf ein egoistischer Mob geworden, der Kindern so gar nichts abgewinnen kann. Wir Familien bekommen das in Deutschland mit voller Breitseite zu spüren.
Derzeit kämpfen Krankenhäuser um die Gesundheit und um Leben vieler Kinder. Es gibt kaum noch Intensivplätze. Kinder werden hunderte Kilometer gefahren, um versorgt zu werden. Brandopfer – die in der Adventszeit zunehmen – werden zu spät versorgt.
Geht es nach den zuständigen Behörden, gehört Pflegepersonal anderer Stationen abgezogen – alles für die Kinder, die einmal unsere Rente sichern sollen!
Keine kleinen Erwachsenen!
Leider sind Kinder keine kleinen Erwachsenen. Die Intensivversorgung von Babys und Kindern kann normales Pflegepersonal gar nicht leisten, hierfür gibt es eine gesonderte Ausbildung. Davon abgesehen, pfeifen auch die “normalen” Stationen aus dem letzten Loch.
Die Pflege ist am Ende, Beifall gibts auch nicht mehr. Wer nicht gerade selbst auf eine rettende OP wartet, ignoriert das einfach. Meist mit Glühwein in der Hand am Stand eines Weihnachtsmarkts. Oder beim Einkaufen, Samstagvormittag, vor Weihnachten.
Solidarisierung mit Familien? Am Poppes.
Wo seid ihr, die wir Familien geschützt haben? Wo seid ihr jetzt und solidarisiert euch? Unterwegs ohne Maske, steckt die Kinder unwissentlich mit RSV oder Influenza an. Oder mit was weiß denn ich, hier grassiert ja quasi alles.
Und nein, die Maske ist nicht Schuld an der Misere. RSV-Infektionen durchlaufen alle Kinder, ohne Ausnahme. Wir könnten die Pflege entlasten, uns rücksichtsvoll verhalten: Maske weiterhin tragen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder großen Menschenmassen.
Wir könnten aufs Böllern verzichten, um Unfälle um Silvester herum zu reduzieren. Wir könnten uns alle gegen die gängigen Infektionskrankheiten impfen lassen, um vulnerable Gruppen zu schützen. Wir könnten, wenn wir wollten. Nur, die Mehrheit will gerade nicht.
Coronamüde. Auch wir Eltern.
Aber wo sollen und wollen Menschen ohne (kleinen) Kindern Familien schützen, wenn diese es nicht selbst tun?
Eltern bringen ihre kranken Kinder in die Betreuungseinrichtungen. Kitagruppen müssen schließen, weil eine sichere Betreuung nicht gewährleistet werden kann. Schuld sind immer die anderen. Noroviren und Streptokokken breiten sich aus, Kinder kommen mit RSV und Influenza ins Krankenhaus.
Die Kinderärzte machen Sprechstunde bis in den späten Abend, um die vollen Krankenhäuser abzufangen. Das System kollabiert und keinen interessierts.
Immer auf die Kleinen (und ihre Erziehenden)
Und dann lese ich, dass die Bildung bitteschön schon in Kita und Kindergarten besser gefördert werden soll. Dort, wo schon Betreuungsmangel herrscht. Wo es kaum noch Fachpersonal gibt, weil es kaputt gespart wurde.
Ich meine, fünf Jahre Ausbildung und das teilweise ohne Gehalt, das kann sich niemand leisten. Durch diese aberwitzige Sache haben wir nun den Salat. Aber eben diese Erziehenden sollen es richten. Integration leisten, Sprache fördern, bessere Bildung für alle etablieren. Nebenbei, während nur noch 7 Kinder von 25 im Raum sitzen, während die Belegschaft sich gegenseitig vertritt, weil viele krank sind.
News: Ibusaft wird gehandelt wie Seltene Erden
Kinder werden mit den letzten Tropfen des wertvollen Ibusafts in die Einrichtungen geschickt. Den gibt es nämlich auch kaum mehr in den Apotheken. Die stecken dafür die gesunden Kinder an. Ein Kreislauf, von November bis März.
Wir Eltern müssen auch das auffangen: Zähneknirschend in Kauf nehmen, dass die Betreuung nicht entsprechend gewährleistet werden kann. Den Job erledigen, weil ohne zweites Gehalt nichts mehr geht.
Pflegen nebenbei Angehörige, kümmern uns um Freunde, Nachbarn, andere Kinder. Kochen, putzen, organisieren Arzttermine und Geschenke. Und, und, und. Und dann grätscht die Politik wieder rein oder ignoriert die Bedürfnisse von Familien vollkommen.
Und der Tenor lautet: Selbst Schuld, hättest du keine Kinder bekommen.
Ehrlich, ich kann den Bullshit nicht mehr hören. Das ist keine Argumentation, das ist Populismus. Ich habe es schon geschrieben, als Corona in unser aller Köpfen noch sehr aktuell war (es sterben übrigens immer noch über 100 Menschen am Tag daran):
Wann sollen wir denn auf die Straße gehen? Wann sollen wir laut werden? Während wir versuchen, beim Dreijährigen Kind das Fieber zu senken, weil sie nicht mehr ansprechbar ist? Während wir die Hausaufgaben mit den Kindern machen?
Während wir arbeiten, um unseren Kindern Sportmöglichkeiten und Bildung zu ermöglichen? Vielleicht dann, wenn wir erschöpft ins Bett sinken, um nach 40 Minuten die nassgeschwitzten Klamotten der Kinder wechseln?
Nein, früher war nicht alles besser. Früher war vieles anders.