Babys und Kinder – und sich selbst – impfen zu lassen, sorgt ja heutzutage für viel Diskussionsstoff. Ich nehme es gleich vorweg, wir lassen uns alle impfen (und es tut fast gar nicht weh!). Aber im Zeitalter der digitalen Medien machen auch viele Meldungen die Runde, die jungen Eltern Angst machen. Damit stehen sie vor der Frage: Lasse ich meine Kinder impfen oder nicht?
Kaum ein Thema ist so umstritten wie Impfungen. Egal ob Grippeimpfung, Masernimpfung, HPV (Humane Papilloviren) oder sogar Tetanus: Eltern liegen durch die mediale Welt so viele Informationen vor wie nie. Leider sind darunter auch viele falsche Informationen, Lügen oder aufgebauschte Geschichten. Ich möchte ein wenig zur Aufklärung beitragen und die Sorge der Eltern verringern – damit auch die Kinder mit dem Schutz aufwachsen, den sie verdienen. Denn Impfungen sind ein Privileg. Nicht alle Menschen haben Zugang zu Impfungen, es sterben immer noch Menschen an Kinderlähmung, Masern, Tetanus oder Keuchhusten (um nur einige Krankheiten zu nennen).
Impfskeptiker und Impfgegner erklären sich immer mit den gleichen Argumenten. Ich antworte heute mal darauf. Für mehr Klarheit.
Die Grippeimpfung für Kinder und Erwachsene
Die Grippeimpfung erhalten Patienten beim Arzt pünktlich zum Beginn des Schmuddelwetters: Meist erfolgen die Impfungen im Oktober und November, kleine Kinder erhalten den Impfstoff in zwei Dosen oder früher auch per Nasenspray (Lebendimpfstoff). Letzteres wird bei unserem Arzt nicht mehr praktiziert, da der Schutz via Injektion wirksamer ist. Also gibt es für die kleinen Kinder zweimal einen Pieks – beim ersten Mal Impfen gegen Grippe.
Eine echte Grippe ist unter Umständen lebensbedrohlich, im Gegensatz zu grippalen Infekten betrifft sie den ganzen Körper. Auslöser für die Grippe (Influenza) ist ein Virus. Da dieser Virus recht lebhaft ist und schnell mal mutiert, wird jährlich geimpft (andere Virenstämme). Eine Grippe kündigt sich nicht durch eine Erkältung an, rasend schnell fährt der Körper auf schachmatt.
“Die Grippeimpfung wirkt doch sowieso nicht”
Kein Impfstoff wirkt zu 100 Prozent. Und leider kann es auch passieren, dass man selbst mal einen anderen Grippestamm erwischt, als der, der geimpft wurde. Die Forscher müssen jedes Jahr neu die Stämme aussuchen, die in die Impfungen kommen. Außerdem gibt es tatsächlich Stiko-Impfungen, die eine höhere Erfolgsquote haben. Trotzdem ist wenig Schutz besser als keiner (und so wenig ist das ja auch nicht). Zudem belegen Forschungen, dass die Grippe milder verläuft, wenn man sich hat impfen lassen. Daher stimmt die Pauschalisierung nicht.
“Nach der Grippeimpfung werde ich immer total krank”
Der Grippeimpfstoff ist meist ein Totimpfstoff – der kann gar nicht krank machen im Sinne von grippalem Infekt oder Grippe. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, sich im Wartezimmer anzustecken, recht hoch.
Die Inkubationszeit für Influenzaviren beträgt plus-minus 10 Tage – schlummert der Virus schon länger im Körper, kann er auch direkt nach der Impfung, während der Inkubationszeit, ausbrechen.
“Pflichtversicherte erhalten weniger Schutz – sogar einen anderen Impfstoff”
Seit 2018/2019 wird nur noch der Vierfach-Impfstoff gespritzt. Vorher war das tatsächlich eine Privatleistung, die man selber zuzuzahlen konnte. Gesetzlich Versicherte erhielten sonst den Dreifach-Impfstoff. Bis 2012 gab es übrigens auch nur diesen – für alle.
Zugelassen sind verschiedene Impfstoffe, die jeweils gegen vier Grippestämme schützen. Dazu zählen folgende Totimpfstoffe:
Afluria Tetra, Influsplit Tetra, Influvac Tetra sowie Vaxigrip Tetra. Letzterer ist auch für Schwangere und für Säuglinge bis sechs Monate zugelassen. Flucelvax Tetra, erst 2018 in der EU zugelassen, ist eine Neuheit: Statt in Hühnereiern werden die Kulturen für den Grippeimpfstoff in Säugetierzellkulturen hergestellt. Im Pandemiefall verspricht der Hersteller eine schnelle Versorgung mit dem Impfstoff.
Fluenz Tetra ist die einzige Ausnahme: Statt Totimpfstoffen wird hier eine Lebendimpfung eingesetzt. Zugelassen ist der Impfstoff von zwei bis 18 Jahren – und wird als Nasenspray verabreicht. Allerdings darf er u. a. nicht bei Leukämie, HIV oder Therapien mit Immunsuppressiva eingesetzt werden.
Efluelda® ist ein Impfstoff mit der vierfachen Antigenmenge und wird bei Menschen ab 65 Jahren eingesetzt, allerdings nicht in der diesjährigen Grippesaison. Ähnlich Fluad Tetra®, auch für Senioren, ein Impfstoff mit Verstärker (wird diesjährig auch nicht eingesetzt).
Momentan warten Privatpatienten auf den Impfstoff – warum das so ist, wird hier gut erklärt: PTA in Love
Spoiler: Es hängt mit der Herausgabe von Einzeldosen zusammen. Die Hersteller liefern zuerst an Praxen (Sammeldosen). Die Einzeldosen erfolgen meist später (was ja auch Sinn macht).
“Ich habe Angst vor den Nebenwirkungen der Grippeimpfung”
Totimpfstoffe sind sehr gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen sind eine gerötete Einstichstelle, leichte Schmerzen (lokal) im Arm (wie Muskelkater) oder eine kleine Schwellung. Beim Lebendimpfstoff sieht das etwas anders aus: Hier können wirklich Symptome einer Erkältung wie Fieber, Schnupfen etc. ausbrechen. Allerdings klingen diese nach einigen Tagen wieder ab.
“Ich bin allergisch gegen Hühnereiweiß”
Zum Glück gibt es mittlerweile Impfstoffe, die ohne Hühnereiweiß auskommen (siehe oben). Der Arzt wägt zudem ab, ob mit herkömmlichem Impfstoff geimpft werden kann.
“Ich habe eine Autoimmunkrankheit und Impfungen sind schlecht für mich”
In erster Linie soll hierzu der behandelnde Arzt befragt werden. Allerdings werden gerade für diese Personengruppe Impfungen empfohlen. Ein Schub der Krankheit ist auch bei der echten Grippe zu erwarten. Bitte hier ganz individuell mit dem Arzt abklären. Ich habe mehrere Autoimmunkrankheiten und bin gegen Grippe geimpft.
“Ich bin schwanger, die Grippeimpfung schadet dem Kind”
Die Grippeimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission ab dem zweiten Trimester, um dem Zusammenhang von durch Impfungen geschädigter Embryos (Spontanabort) auszumerzen. Schwangere haben ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe, das zeigten die gesammelten Daten während der schweren Grippewelle 2009. Der für Schwangere zugelassene Impfstoff ist auf Herz und Nieren geprüft. Neugeborene erhalten mit der Grippeimpfung der Schwangeren sogar gleich Antikörper über die Plazenta – wie praktisch.
“Ich habe Angst vor Impfkomplikationen und Impfschäden”
Ich bin absolut Pro-Impfung. Allerdings gibt es auch bei Impfungen Fälle, bei denen es Komplikationen gibt. Auskunft hierüber gibt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Bei Grippeimpfungen gibt es viele gemeldete Verdachtsfälle (keine bestätigten Impfschäden) in der Statistik des PEI. Darunter fallen tatsächlich auch: Weinen beim Pieks, Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, lokale Rötung usw. Schwerwiegende Schäden sind absolut selten und haben meist andere Ursachen (das sind die unbestätigten Impfschäden, meist genetisch bedingt, mit denen Impfgegner Angst machen).
Ein tatsächlich bestätigter Impfschaden ist bei wenigen Leuten beispielsweise Narkolepsie durch den Impfstoff gegen die Schweinegrippe. Macht man sich die Mühe, die Tabelle des PEI zu studieren, sieht man, wie wenig ernste Komplikationen es gibt (die Statistik wird übrigens seit 2000 geführt).
Die höchste Prozentzahl der gemeldeten Verdachtsfälle macht Fieber aus – mit gerade mal 5,65 Prozent – umgelegt auf verschiedenste Impfungen.
Ich mag den Vergleich mit dem Sicherheitsgurt: In den meisten Fällen schützt er beim Unfall, aber es gibt sehr wenig Ausnahmen, wo er der Grund ist für einen schweren Unfallverlauf. Trotzdem schnallen wir uns an – denn im Normalfall schützt der Gurt.
Wer sollte sich gegen Grippe impfen lassen: Heuer wohl jeder, wenn möglich (Spoiler: es gibt nicht genug Impfstoff). Allerdings gibt es Personenkreise mit mehr Risiken wie bspw.: Schwangere, Personen ab 60 Jahren, Chronisch Kranke, Medizinisches Personal oder Personen die Kontakt zu Risikopatienten haben.
Impfungen können Leben retten, genauso wie der Sicherheitsgurt im Auto. Die Grippeimpfung spaltet die Gemüter, gehört sie auch nicht zu den Impfungen, die so umstritten sind wie Masern oder Kinderlähmung. Mit meiner Impfaufklärungsreihe geht es bald weiter, natürlich kommen auch andere Impfungen zur Sprache. Wenn ihr Fragen habt, schreibt ihr mir doch bitte in die Kommentare. Unsachliche Beiträge, die mit dem Thema nichts zu tun haben oder beleidigen, schalte ich nicht frei. Denkt dran, hinter dem Bildschirm sitzen Menschen. Merci.
Quellen und weiterführende Links bzgl. Grippe, Grippeimpfung:
Alles über den Grippeimpfstoff
Natürlich bin ich kein Arzt. Daher sollte es selbstverständlich sein, etwaige Komplikationen mit seinem Arzt abklären zu lassen. Irrtümer sind nicht ausgeschlossen.
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