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Testeinführung an Bayerns Schulen oder Corona hat ne Stoppuhr

Grüß Gott und Servus im zweiten Pandemiejahr. Ostern ist vorbei, es schneit, fast alle Großeltern haben bereits ihre Corona-Schutzimpfung erhalten. Rezo geht wieder mal viral, indem er die Corona-Politik zerlegt (an dieser Stelle: Bravo!), ich habe über die heutige Jugendsprache beim Ansehen seines Videos viel gelernt (vor allem, dass ich schrecklich alt bin) und die Katze hat es eigentlich am besten: Sie hält Winterschlaf.

Kommen wir gleich zur Sache, ich bin kein Freund von langem Drumherum: Jetzt also doch Selbsttests für Schüler an Schulen: Wer am Präsenzunterricht teilnehmen will, muss sich testen lassen. Klingt ja erstmal super. Gerade nach Ferien und Feiertagen eine tolle Sache, um Infektionsherden auf die Spur zu kommen. Doch was wäre dieser Blogtext ohne ein großes ABER…

Zurückspulen bitte: Populismus im Bildchen

Populistische Spruchbildchen machen die Runde. Darauf zu lesen: Die armen Kinder, müssen sich Stäbchen in die Nase rammen und werden dann vor aller Augen ausgesondert in der Klasse, weil positiv getestet. Mobbing und Ausgrenzung – Alarm!

Das war so in etwa die Kurzfassung. Ich kann dem ja nicht soviel abgewinnen. Meist sind diese Spruchbildchen gespickt mit Unwahrheiten oder Halbwahrheiten. Ich ignoriere sie folglich. Im Radio laufen die Nachrichten. Verpflichtende Selbsttests, bevor es in den Unterricht geht. Ich nicke zufrieden. Da, diese Aussage beweist es – das Spruchbild ist Blödsinn. Tanzende Schneeflocken vor dem Fenster. Ich denke die Szenerie weiter. Die Erkenntnis, dass Schulen das unmöglich logistisch auf die Reihe kriegen. Trockene Worte vom Mann: “Unsere Schule hatte 1000 Schüler.”

Aladdin und die 1001 Schüler

Jo. Heute wurde das beschlossen, am Montag soll es umgesetzt werden. Selbsttests für alle Schüler vor dem Unterricht, bevor es in die Klassen geht (lt. Radionachricht). Ich stelle mir das Szenario vor: Wer testet wie? Und wo? Auf dem Schulhof? Mit welchem Abstand? Und wo warten die Schüler? Ich werfe die Bundeswehr in Raum, der Mann das Technische Hilfswerk. Vor meinen Augen Menschenschlangen wie am Flughafen, abgetrennt durch Bänder, ausgewiesene Wartebereiche und und und.

Spruchbilder der Wahrheit – Nicht doch

Die Realität holt mich ein. Ich klicke mich auf die Seite des Kultusministeriums. Nichts zu lesen auf der Startseite von Selbsttests an Schulen. Da! Ein kleiner Text läuft wiederholt über den Bildschirm, schnell klicken. Ich lese. Und nun bin ich aber in der Bredouille. Sollte das Spruchbild an Wahrheit gewinnen?

(…) ” Quelle KM Bayern

  • Durchführung in der Schule: Die Selbsttests werden im Regelfall unmittelbar zu Beginn des entsprechenden Unterrichtstages im Klassenzimmer durchgeführt. Die Selbsttests sind einfach, ohne Risiko und ohne Schmerzen durchzuführen. Die Lehrkräfte besprechen die Durchführung der Tests mit den Schülerinnen und Schülern und geben ihnen mündliche Anleitung. Die Testung führen die Schülerinnen und Schüler selbst durch. Die Testung erfordert nur einen kurzen Zeitaufwand von ca. 20 Minuten, wobei davon ca. 15 Minuten aus Wartezeit bestehen.
  • Umgang mit Testergebnissen: Ein positives Testergebnis soll der aufsichtführenden Lehrkraft bzw. der Schulleitung mitgeteilt werden. In jedem Fall kann der Schulbesuch zunächst nicht weiter fortgesetzt werden. Die betroffene Schülerin bzw. der betroffene Schüler muss sich absondern, d. h. von anderen Personen isoliert und – sofern möglich – von den Erziehungsberechtigten abgeholt oder nach Hause geschickt werden. Die Erziehungsberechtigten sollen dann unverzüglich das örtliche Gesundheitsamt über das Ergebnis informieren. Zu beachten ist, dass ein positives Selbsttestergebnis nicht zwingend eine Sars-CoV-2-Infektion bedeutet. Deshalb wird das örtliche Gesundheitsamtes einen PCR-Test anordnen, um das Testergebnis zu überprüfen Ein erneuter Schulbesuch ist erst nach einem negativen PCR-Test möglich. (…)”

Seufz.

Ehrlich? In den Nachrichten klang das aber anders. Vor allem ist das Risiko einer Ansteckung im Klassenraum wesentlich höher. Und zum Testen muss die Maske ab. Nochmal Seufz.

Corona hat ne Stoppuhr

Steigt das Infektionsrisiko im Klassenzimmer, wenn die Schülerinnen und Schüler zur Testung ihre Masken abnehmen?” Eine Frage aus dem FAQ-Bereich. Die Antwort: “Das Testen dauert nicht mal eine Minute (…). Danach sofort lüften (…)”.

Ja. So ein Virus achtet total auf die Zeit. Drei, zwei, eins, meins. Und Fenster aufreißen ist die Geheimwaffe unserer Zeit. Wer braucht schon Lüftungsanlagen? Oder mehr Abstand? Apropos Lüftungsanlagen: Wer in Bayern technisches Gerät einbauen will, muss erstmal hier vorbei: Am “Antragsformular sowie die Richtlinie zur Förderung von Investitionskosten für technische Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften in Schulen“. Uff. Ja, denn dann.

Neuverfilmung: Eine gute Nachricht & 10 Schlechte

Die gute Nachricht: Die Schulen dürfen sich Unterstützung holen. Das finde ich gerade im Bereich von Förderschulen wichtig. Organisationen wie das Bayerische Rote Kreuz u.a. unterstützen kostenfrei die Schulen; abgerechnet wird dabei an anderer Stelle.

Ende der guten Nachrichten. Ein weiterer Grund für einen tiefen Seufzer ist der Passus mit der Einwilligungserklärung: (…) “An der Selbsttestung des Freistaates Bayern kann nur teilgenommen werden, wenn eine ausgefüllte Einwilligungserklärung vorliegt.(…)”.

Ja, ich will! Oder doch nicht? 

Was, wenn keine Einwilligung vorliegt? Darf  die Schülerin oder der Schüler dann zuhause bleiben? Erfolgt der Unterricht zweigleisig, vor Ort und digital – das wäre ja ein echter Fortschritt!

Dann denke ich an die Kinder, denen es zuhause nicht so gut geht. Wo sich die Eltern vielleicht gegen die Tests aussprechen und das Kind zuhause bleibt. Wo vielleicht auch Gewalt oder seelischer Missbrauch lauern. Oder Einsamkeit und Depressionen. Das wird nicht die Mehrheit ausmachen, aber dennoch ein Punkt, an den ich denke.

Droht Eltern eine Strafe, wenn sie die Erklärung nicht ausfüllen? Es gibt ja die sogenannte Schulpflicht bei uns. Für mich sind da viele Fragen offen.

Coronaland ist kein D-Zug

Versteht mich nicht falsch. Ich bin absolut pro Test. Ich selbst teste oft die Familie durch, hier lauern auch häufig Erkältungsviren. Wir machen das, um uns und andere zu schützen. Nur: Auf mich wirkt das nicht ganz durchdacht und es besteht Optimierungsbedarf – aber die Schulen müssen es vor Ort dann irgendwie regeln. Dennoch: Ein Anfang wurde gemacht (mein Versuch, Positives zu sehen).

Was ich mir wünschen würde: Wie reagiere ich als Lehrkraft, wenn ein Kind positiv getestet wird – ein Leitfaden für Schulen und Lehrer. Es sind so schon genügend LehrerInnen überfordert mit der Situation, ich kann mir bei einigen Menschen gut panische oder willkürliche Reaktionen vorstellen. Oder auch Diskriminierung. Oder Alltagsrassismus bei Schülerinnen oder Schülern mit Migrationshintergrund. Das ist dann wirklich unschön für die betreffende Person. Gibt es hier Lehrkräfte unter meinen LeserInnen? Könnt ihr die Frage beantworten?

Wir sinnieren: Wo bekommen die jetzt die ganzen Tests für die Schulen her? Wurden überhaupt genügend Tests im Voraus geordert von der Landesregierung? Ach so, auch darauf gibt das FAQ eine Antwort: “Die Schulen werden nach und nach ausgestattet“.

To be continued.


Information Stand 7.4.2021 Bayern

“Ab 12. April gilt bei einer Sieben-Tage-Inzidenz bis 100 in der jeweiligen Region:
Es finden in der Schule zweimal pro Woche Selbsttests für Schülerinnen und Schüler statt. Die Teilnahme an den Tests wird nachdrücklich empfohlen. Ab 12. April dürfen in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 nur noch Schülerinnen und Schüler der Klassen, für die Wechsel- bzw. Präsenzunterricht mit Mindestabstand vorgesehen ist, am Präsenzunterricht teilnehmen, die in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis gemacht haben oder einen aktuellen, negativen Covid-19-Test haben (PCR- oder POC-Antigenschnelltest, der durch medizinisch geschultes Personal durchgeführt wird; nicht älter als 48 Stunden).”

Bildnachweis: Pixabay 

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