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Mit 3 windelfrei oder du zahlst – Butzbach erhebt Aufwandspauschale für KiTa – Update

Das Kind braucht noch eine Windel? Dann wird eine Gebühr fällig, 50 Euro monatlich. Das hat eine KiTa in Hessen, genauer gesagt in Butzbach, beschlossen. HIER habe ich über die ganze Sache berichtet, die mich wirklich fassungslos gemacht hat.

Heute möchte ich berichten, wie sich die Sache weiter entwickelt hat. Und warum ich den Ortsnamen diesmal bewusst nenne.

Die Meldung erreichte mich noch vor unserem Sommerurlaub, und so habe ich noch schnell der Stadt geschrieben. Die hat auch geantwortet. Das alles könnt ihr im oben verlinkten ersten Teil nachlesen.

Kurz darauf erreichten mich außerdem Emails von betroffenen Eltern, die mich anonym erreicht hatten. Sie schildern, wie sie bei der Kindergartenleitung, bei der Stadt auf Granit beißen. Wie sie Konsequenzen von der KiTa-Leitung angedroht bekommen. Wie ihnen unterstellt wird, sich nicht respektvoll gegenüber der KiTa zu verhalten. Wie andere Eltern sie ausgrenzen, weil diese nicht unangenehm auffallen und Ärger vermeiden wollen.

Der Hilfeschrei, der mich von einigen Lesern per Email erreicht, ist groß.

Zu verantworten hat das u. a. der Bürgermeister Michael Merle von der SPD. SPD steht für Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Die “Aufwandspauschale” für Kinder, die mit drei Jahren noch nicht trocken sind, ist alles, nur nicht sozial.

Es ist wissenschaftlich längst erwiesen, dass viele Kinder den nötigen Reifeprozess zum Trocken werden noch nicht unbedingt mit drei Jahren erreicht haben (siehe dieser Beitrag). Ein Versagen der Eltern daraus zu implizieren, ist übergreifend und schlichtweg dumm. Es gibt Fälle, da mag das so sein. Aber auch hier sollten dann die Träger genau hinsehen und sich fragen: Warum ist das so? Sind diese Eltern überfordert? Benötigen Sie vielleicht Hilfe?

Nun, das trifft nur zu einem winzigen Prozentteil zu. Sprechen wir lieber über die Strafgebühr, getarnt als Aufwandspauschale. Das die Druck ausübt. Auf die Kinder. Auf die Eltern. Dass die dazu beiträgt, dass Kinder sich schlecht fühlen, “anders” als die anderen. Ausgegrenzt werden. Es wird geredet und gespalten. In einer Zeit, in der sich die Menschen eigentlich die Hand reichen sollten – es ist genug Hass da draußen.

Ich habe Fragen an Butzbach

Butzbach und die Aufwandspauschale – eingeführt am 1. August 2018. An dem Tag, als die KiTa beitragsfrei wurde. So ein Zufall. Das wirft Fragen auf. Und daher habe ich dem Magistrat noch einmal eine Email am 07.09.2018 gesendet:

Sehr geehrte Frau L*****,

ich behandele dieses Thema auf meinem Blog “kuchenerbse”. Da die eindeutige wissenschaftliche Meinung die ist, dass Kinder das “sauber werden” nicht unbedingt beeinflussen können, da hierfür ein gesonderter Bereich im Gehirn aktiv sein muss, ist die Empörung zu diesem Thema verständlicherweise groß. Weiterhin ist diese Einstellung per se nicht familienfreundlich und nicht kindgerecht.  

Können Sie mir noch einige Fragen dazu beantworten? Ich würde gerne verstehen, was hier passiert:

Beispielsweise, was mit der Aufwandspauschale passiert – kommt dies dann direkt bei den Erziehern an? Wo fließen die Gelder hin?

Warum wurde diese Pauschale überhaupt umgesetzt? Woher kam hier die Anregung?

Ist dem Magistrat bewusst, welcher Druck hier auf Kinder ausgeübt wird?

Der Besuch der Kita soll für Kinder ab drei Jahren ja kostenfrei sein. Mit solchen Pauschalen ist das ja eine Farce. Zumal die Kindergärten ja pro Kind bezuschusst werden.

Wie nehmen Sie die Reaktion der Eltern wahr? Gab es ein Gespräch mit den Eltern?

Wie beurteilen Sie den pflegerischen Aufwand, wenn das Kind gar nicht – aufgrund der Entwicklung der Hirnschranke – in der Lage ist, einzuhalten? Damit verstößt der Kindergarten mit seiner Auflage u.U. gegen bestehendes Recht. 

Ich würde mich freuen, weitere Antworten von Ihnen zu bekommen, um mir hier ein besseres Bild verschaffen zu können. 

Mit freundlichen Grüßen

 

JETZT LESEN  Eltern heute sind faul

Ich schreibe diesen Beitrag am 7. Oktober – bis jetzt habe ich hierzu keinerlei Stellungnahme von der Stadt Butzbach erhalten. Dafür mehr Post von verzweifelten Eltern per Email: 

“Die Stadt Butzbach äußert sich niemals schriftlich zu vorhandenen oder nicht vorhandenen Plätzen, ebenso verweigern sie die schriftliche Bestätigung, dass sie die Fördergelder an eine andere Gemeinde abgeben.”

Ich möchte die Eltern ein wenig unterstützen. Ich möchte, dass die Stadt sich äußert – sich äußert, was mit den Geldern geschieht. Das zu erfahren, ist das gute Recht dieser Eltern. Daher habe ich beschlossen, die Sache nicht mehr anonym zu händeln, sondern die Sache beim Namen zu nennen: Butzbach in Hessen. 

Email an Butzbach, Hessen

Wer die Eltern aus Butzbach unterstützen will, für den habe ich hier die Email der Stadt herausgekramt (öffentlich auf der Webseite einsehbar):

Textvorlage Copy & Paste

Betreff: Nein zur Aufwandspauschale in Kindergärten

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Aufwandspauschale für Kinder, die mit drei Jahren noch nicht trocken sind, entspricht nicht gängigen Erziehungsmethoden. Zudem widerspricht diese Pauschale der beitragsfreien KiTa. Ich möchte Sie bitten, diese rückständige Ansicht – versteckt in einer Aufwandspauschale – noch einmal zu überdenken und sich den jetzigen Stand der Wissenschaft dazu zu Gemüte zu führen. Weiterhin ist dies eine unverhältnismäßige Benachteiligung und kann u. U. rechtlich geahndet werden.

Mit freundlichen Grüßen

kita-windelfrei
Kinder haben ihr eigenes Tempo – das gibt die Neurologie vor!

Unverhältnismäßige Benachteiligung

Betroffene möchte ich auffordern, sich an den Berliner Kinderarzt Ulrich Fegeler zu wenden. Der rät in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung (danke Tanja für den Tipp!), “Eltern sollten bis in die letzte Instanz gehen”. Fegeler ist Mitglied der “Kommission Frühe Betreuung und Kindergesundheit der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin” und hat bereits einige Kitas beraten um aufzuklären, dass “Druck kontraproduktiv ist und es durchaus normal sei, wenn ein Kind mit drei Jahren oder mehr eine Windel trägt.” Hier geht es zum kompletten Text der Süddeutschen Zeitung. 

Leider haben die Eltern Angst vor der Klage. Warum? Na, die Kindergartenplätze sind begrenzt. Das wissen wir alle. Viele Eltern nehmen Missstände in KiTas in Kauf, der Job ruft und wohin mit dem Kind? Die Kindergärten können sich viel erlauben in diesen Zeiten. Schuld daran ist die Politik. Rechtzeitiges Hochrechnen der Geburtenzahl ergibt die Anzahl an Kindergartenplätzen und Schulplätzen. Aber da versagen immer wieder Städte, zuletzt in Essen, Köln und Berlin-Lichtenberg.

Das Thema Familie und Bildung steht im Schatten der Politik. Gelder werden tatsächlich dafür abgerufen – und für andere Baustellen verwendet (Quelle Spiegel). Der Bund stellt Gelder bereit , und die Länder rufen diese so gut wie gar nicht ab, weil “das Antragsverfahren zu kompliziert ist”. Autsch.

Kinder sind die Zukunft. Behandeln wir sie doch auch so. Oder, Butzbach?

Cheers, Victoria

Hier geht es zu Teil 1 der Story

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