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Ertrinken ist leise – vergesst Baywatch und achtet auf die richtigen Signale

Momentan ertrinken wieder mehr Menschen, auch viele Kinder. Warum Baywatch-Rettungseinsätze Quatsch mit Soße sind und woran ihr wirklich erkennen könnt, wenn Menschen ertrinken, lest ihr hier.

Aus dem Fernsehen kennen wir die Szenerie: Laute Hilferufe, wedelnde Arme – ein Mensch droht zu ertrinken. Alarmierte Retter eilen in Scharen zum Ertrinkenden und retten ihn. Wunderbar. In der Realität sieht das anders aus. Menschen, Kinder ertrinken leise.

Ertrinkende winken nicht.

Ertrinkende wedeln auch nicht mit den Armen.

Vorweg: Wenn jemand im Wasser um Hilfe ruft oder mit den Armen winkt, ist der- oder diejenige sicher in Not. Vielleicht ein Krampf oder die Kraft reicht nicht, um zurückzuschwimmen. Hier solltet ihr daher auch reagieren und Retter alarmieren oder selber eingreifen, je nach Situation.

Daran könnt ihr erkennen, ob eine Person gerade ertrinkt

Bei Ertrinkenden seht ihr nur den Kopf, es mag so aussehen, als ob der oder die Ertrinkende sich einfach im Wasser treiben lässt. Achtet daher auf diese Signale, wenn ihr euch unsicher seid:

  • Mund und Wasser befinden sich ungefähr auf gleicher Höhe
  • Beschleunigte Atmung
  • nach Luft ringen
  • Haare hängen ins Gesicht
  • Kopf neigt sich nach hinten, Mund steht offen
  • Beine bewegen sich nicht mehr (bewegungslos)
  • Augen sind zu
  • Augen wandern, glasiges Aussehen
  • Arme seitlich ausgestreckt, um sich über Wasser zu halten
  • Ertrinkende können nicht mehr die Arme heben oder sprechen – der Körper schaltet auf Notfunktion

SPRECHT DIE PERSON AN: Geht es dir gut? Kann ich dir helfen? 

Kommt keine Antwort, Beeilung!

Jetzt heißt es schnell handeln! Ertrinkende können sich nur 20 bis 60 Sekunden über Wasser halten!

Liebe Eltern, liebe GroßelternKinder sind laut, wenn sie im Wasser spielen. Ist es still, kann es schon zu spät sein.

Ertrinken ist übrigens die zweithäufigste Todesursache bei Kindern und Teenagern bis 15 Jahren. Untersuchungen zeigen, dass die Hälfte der ertrinkenden Kinder nicht mehr als 20 Meter von den Eltern entfernt sind.

Lasst daher nie, ich wiederhole, niemals eure Kinder aus den Augen.

Manchmal rennen Kinder weg; erst kürzlich entwischte ein Zweijähriger seiner Mutter im Freibad und wurde leblos im Wasser gefunden: Glücklicherweise wurde er reanimiert. Aber Ertrinken passiert innerhalb von Sekunden!

Vor plötzlichem Wegrennen ist kein Elternteil gefeit. Wir haben daher die Regel eingeführt, dass Schwimmflügel ständige Begleiter im Freibad sind – außer auf dem Handtuch. Gehe ich alleine mit beiden Kindern, muss der Große sich nach der Kleinen richten (hallo Babybecken). Die Lütte ist immer an der Hand oder ich bin direkt bei ihr.  Außerdem gibt es noch die Regel, dass es in große Becken nur mit erwachsener Begleitung geht. Bisher hat das immer gut funktioniert. Wie löst ihr das Freibad-Dilemma? Am einfachsten ist es natürlich, wenn mehrere erwachsene Personen mit zum Schwimmen gehen.

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Verhaltensregeln- & Tipps für Eltern & Großeltern: Sicher Schwimmen und Baden mit Kindern

♥ Lasst die Kinder nie unbeaufsichtigt, wenn Wasser in der Nähe ist. Ertrinken passiert ab wenigen Zentimetern Wassertiefe!

♥ Maximal eine Armlänge entfernt – das ist der ideale Abstand von Eltern zu Kleinkind am oder im Wasser

♥ Nicht nur Seen, Flüsse oder Freibäder bergen Gefahren: Gartenteiche, Planschbecken oder Brunnen sind genauso gefährlich

♥ Handy weg. Ein schneller Schnappschuss? Geschenkt. Dauerndes Handygetippe? Nein. Lasst die Augen bei den Kindern. Sekunden entscheiden über Leben und Tod. Nehmt doch eine Einwegkamera mit ins Freibad oder an den Strand. Das ist eine lustige Abwechslung.

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♥ Schwimmflügel schützen nicht vor Ertrinken. Zieht den Kindern trotzdem eine Schwimmhilfe am Wasser an

♥ NUR RETTUNGSWESTEN schützen vor Ertrinken. Auf Booten und beim Spiel am Wasser (Steg etc.) sollten Kinder immer eine tragen.

♥ Badespielzeug oder Schwimmringe schützen nicht vor Ertrinken, im Gegenteil: Kippen Kleinkinder im Schwimmring um, kommen sie nicht mehr an die Oberfläche

♥ Sonnenschutz & UV-Kleidung: Bei großer Hitze schnell passiert; durch Sonnenstich können Kinder wie Erwachsene einen Schwindelanfall bekommen oder ohnmächtig werden  (bleibt mit Kindern bei großer Mittagshitze dem Wasser fern)

♥ Lebensgefährliche Strömungen gibt es nicht nur im Meer, sondern auch in Flüssen (vor allem mit Schifffahrt) und Seen (Zuflüsse, Abflüsse, aktive Baggerseen)

♥ Strömungen können Menschen im knöchelhohen Wasser von den Füssen reißen und ins offene Meer oder in eine Schifffahrtsstrasse ziehen

♥ Kinder, die Schwimmen können, können trotzdem ertrinken!

♥ Ebbe und Flut erzeugen gefährliche Strömungen

♥ Achtet auf die Beflaggung und Beschilderung am Strand

♥ Lauft nicht ohne Wattführer ins Watt hinein

♥ Rippströmung im Meer (Rückströmung in die Brandungszone) ausweichen, indem ihr parallel zur Küste schwimmt statt gerade darauf zu

♥ Meldet euer Kind zum Schwimmkurs an! Gibt es keine freien Plätze, fangt mit der Wassergewöhnung an. Tatjana, Schwimmlehrerin, gab hier dazu ein Interview.

♥ Informiert euch bitte über das sekundäre Ertrinken (dieser Begriff ist sehr geläufig, daher nutze ich ihn, aber falsch) von Kindern: Bei Geo lest ihr ein tolles Interview zum Thema mit Prof. Dr. Peter Radke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie an der Schön Klinik Neustadt.

♥ Seid ihr zu Mehreren? Sprecht klar ab, wer auf welches Kind aufpasst

♥ Meidet bei Sturm Gewässer. Hier am Ammersee beispielsweise peitschen u. U. Stürme die Gischt (“fliegendes Wasser”) so hoch, dass Segler ersticken bzw. ertrinken können (passiert auch öfters im Meer)

♥ Gab es einen Zwischenfall im Wasser (Kind ist unerwartet untergegangen, hat Wasser eingeatmet, war bewusstlos oder ähnliches), sucht bitte den Arzt auf

♥ Tritt ein Notfall ein, ruft sofort die 112 an. Lieber einmal zuviel als zu wenig…

Wusstet ihr, dass Kinder unter drei Jahren ab einer Wassertiefe von 5 Zentimetern ertrinken können? Da ist kein Schwimmbad nötig, es reichen Badewanne oder Vogeltränke. 

Ich selbst bin als älteres Kind und Jugendliche schon in mehreren brenzligen Situationen gewesen – und hatte sagenhaftes Glück. Außerdem war ich eine starke Schwimmerin mit extrem viel Kraft – das hat mir schon oft geholfen. Atlantik und Nordsee sind keine Schaumparty; aber auch Flüsse und Seen können sehr tückisch sein. Oft habe ich meine Kräfte als Teenie falsch eingeschätzt, mal hatte die Strömung mich zum Riff heraus getrieben, ein andermal hing ich mit Rettungsweste unter einer umgekippten “Banane” oder die Priele der Nordsee füllten sich schneller als gedacht… Hier hätte ich viel zu erzählen.

Kanntet ihr die Anzeichen fürs Ertrinken? Ich wusste es bis vor einigen Jahren nicht. Und ich hoffe sehr, dass ich die Anzeichen im Notfall richtig deuten kann. Habt ihr auch schon brenzlige Situationen erlebt?

 


Quellen

Dr. Francesco A. Pia  (The Instinctive Drowning Response, Coast Guard´s On Scene Magazine)

Mario Vittone, Rettungshubschrauberpilot und Rettungsschwimmer der U.S. Coast Guard, “Drowning Doesn´t Look Like Drowning”

MSD Manual Ertrinken

Bilder: Ostsee (Archiv)

 

 

 

 

 

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