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Die schleichende Vereinsamung neuer Mütter

Wenn das Baby da ist, ändert sich nichts an der Freundschaft!”

“Das Baby wird nichts an unserer Beziehung ändern, ich bin immer für dich da.”

So ähnlich klingen sie, die güldenen Versprechungen von Freundinnen und Freunden, aber auch vom Partner. Mehr oder weniger euphorisch schwenkt die Mutter in spe den Schwangerschaftstest, schmiedet Zukunftspläne und malt sich genau aus, wie das sein wird; das Leben mit Kind.

Spoiler: Es kommt meist anders als du denkst!

Schon während der Schwangerschaft kristallisiert sich heraus, wer bleiben wird. Nicht immer, manchmal wirst du überrascht.

Ich habe in der Schwangerschaft an meinem Leben festgehalten, habe – mit Unterstützung – das Pferd mehrmals die Woche versorgt, war die ersten Monate regelmäßig reiten, habe die Hochzeit geplant und war mit Freunden aus. In dieser Zeit kehrten schon einige wenige mir den Rücken zu. Persönliche Gründe, unterschwelliger Neid, schlussendlich Freundschaftsbruch.

Dann kam der Umzug. In einen Ort, in dem ich niemand kannte. Noch blieb er, der alte Freundeskreis. Da das Pferd noch im alten Stall stand, waren die Kontakte gut.

Im neuen Wohnort hingegen ergaben sich kaum neue Kontakte. Das erste Jahr war ich sowieso ständig am pendeln: Das Pferd wurde 30 km weiter versorgt. Immer mit dabei – das Baby.

Dann forderte das Baby mehr. Ich suchte eine Krabbelgruppe, auch ich wollte mittlerweile unter Leute, mich austauschen, Kaffee trinken und schnacken. Mit Müttern. Was man sich eben so vorstellt. Hätte ich mir ja nicht träumen lassen. In echt jetzt. Ich hatte tatsächlich Glück und fand eine passende Gruppe in der Nähe.

Leider löste sich die Gruppe nach einem halben Jahr wieder auf.

Und dann: Mein Pferd verstarb, die Kontakte schwanden. Leute, die ich Jahre kannte. Da kam kein “wie geht es dir?” nach dem Verlust, kein “ich komme vorbei und unterstütze dich”. Nur leere Phrasen am Todestag. Nach einigen Wochen kam dann mal ein lapidares “wie geht es dir?”.

In meiner neuen Heimat lief es nicht viel besser. Mütter, denen ich beim Spaziergang begegnete, grüßten kaum oder machten auf eingeschworene Clique. Man kannte sich, sie wuchsen zusammen auf in dieser Kleinstadt.

Ich dachte früher, Mütter sind anders. Solidarisch. Aber es sind auch nur Menschen, mit guten und schlechten Tagen.

Menschen reagieren unterschiedlich auf Veränderungen im Leben. Auch Schwangere, Hormonumstellungen machen Freundschaften nicht unbedingt einfacher. Auf beiden Seiten.

Fassen wir zusammen, was immer mehr Müttern zu schaffen macht und zur Vereinsamung führt, wenn das Baby da ist (kein Muss, nur ein “kann”):

  • Umzug in einen anderen Ort
  • Kinderlose Freunde und damit Interessenskonflikte
  • Verlust des Hobbies, damit verbundener Verlust alter Freunde
  • Spielplatz als Treffpunkt überholt, häufig Spielanlagen in eigenen Gärten (Eltern gehen weniger zu öffentlichen Anlagen)
  • Mehr Mütter sind heute berufstätig, Kinder bereits in der Krippe
  • Eingeschworene Gemeinschaften, wenig Platz für “Neue”
  • Wenig Angebote für neue Eltern im Wohnort
  • Keine Familie in der Nähe
  • Jobverlust
  • Wenige Familien im Ort
  • Ungenügende Sprachkenntnisse (Barrieren)
  • Krankheit

Das alles können Faktoren sein, die Mütter – oder auch Väter – sich einsam fühlen lassen. Kommen mehrere Punkte zusammen, ist der Partner häufig viel geschäftlich unterwegs und macht sich womöglich noch eine postnatale Depression auf den Weg, scheint das Unglück perfekt.

Die Frau sieht sich allein an vielen Fronten: An sich selbst zweifelnd, aus Frust essend oder hungernd, Tränental und eine hohe innere Belastung: Allein mit Kind. Keiner da zum Austausch. Einige Mütter fliehen sich in soziale Netzwerke, ständig das Smartphone in der Hand. Einige geben alles für ein Like, die virtuelle Anerkennung. Andere lassen den Frust am Kind aus. Wieder andere scheitern in ihrer Ehe, weil der Partner nicht nur Partner, sondern auch Freundesersatz wurde.

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Allein(gelassen) mit Kind: Heutzutage fehlt es oft am sozialen Netz

 

Oft lässt der Partner auch die Frau “allein”. Selbstverständlich kümmert er sich um die Verpflichtungen, doch er sieht die Frau noch nicht als Mutter. Oder nur als Mutter. Beides ist für die Frau schlecht: Die Rolle als Mutter hat frau zwar meist schnell drauf, doch die Umstellung des Mannes in die Elternrolle dauert häufig etwas länger. Problematisch ist vor allem die hohe Erwartungshaltung: Es soll doch bitteschön alles so weitergehen wie vorher, nur ist jetzt eben das Baby mit an Bord. Ein Trugschluss, denn ein Baby bringt eben Veränderungen. Wird krampfhaft versucht, das Leben weiterzuleben, zieht einer immer den Kürzeren; nicht selten dann das Baby. Hier gehe ich speziell auf die Zeit nach der Geburt ein.  

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Das macht mich traurig. Ich lese häufig Anfragen nach Krabbelgruppen in der Ortsgruppe. Manchmal gibt es keine Antwort. Ich habe Glück gehabt: Nach einer langen Durststrecke konnte ich mir im neuen Wohnort ein “soziales Polster” aufbauen: Ich habe Freunde, unter ihnen tolle Mütter, ich arbeite nebenbei mit einem ganz tollen Team und laste meinen Tag anders aus, seitdem das Kind in der Krippe ist. Hier ergeben sich natürlich auch Kontakte (wobei man zwischen Tür und Angel beim Kinder bringen und holen wenig Gesprächszeit bleibt). Und einige frühere Kontakte vertieften sich, seit auch ich ein Kind habe (vorher war ich die “Kinderlose” mit anderen Interessen). Ganz wenige Kontakte von früher habe ich natürlich auch noch; vor einigen Monaten kam die Überraschung: Vier Freunde schenkten mir ein Armband aus den Schweifhaaren meines verstorbenen Pferdes – eine sehr rührende und nette Geste, mit der ich gar nicht mehr gerechnet hatte – und nie habe.

Ein wenig neidisch blicke ich immer wieder auf die Berliner: Dort gibt es eine ganze Reihe von familienfreundlichen Cafés. In Augsburg gibt es das Himmelgrün. Hier in Schwabmünchen gibt es kein spezielles Familiencafé. Familienfreundliche Gaststätten gibt es einige, gerade mit Spielplatz im Außenbereich. Aber zum Kontakte knüpfen ist das auch nicht so ideal.

Was ich getan habe, um der Einsamkeit als Mutter zu entgehen:

  • In der Ortsgruppe auf Facebook nach Krabbelgruppen gefragt
  • Kontakte der Gruppe weiter gepflegt, auch nach Auflösung (nur Mut!)
  • Gründung der regionalen Facebookgruppe für Mamas (Augsburg)
  • Alte wichtige Kontakte per Telefon pflegen (so wichtig!)
  • Mütter unterwegs einfach angesprochen (traut euch!)
  • Meine nebenberufliche Selbstständigkeit aufgebaut (neue tolle Kontakte)

Macht euch bitte bewusst, dass der Partner nicht euren Freundeskreis ersetzen kann. Darunter wird irgendwann die Beziehung leiden. Natürlich ist der Partner auch häufig als “bester Freund” benannt. Letztendlich ist er aber keine andere frischgebackene Mutter und kann die eine oder andere Schwangerschaftsanekdote nicht teilen. Und mit wem wollt ihr schnacken, wenn es in der Beziehung gerade mal mau läuft?

Eine gute Freundin hat sich lange nicht gemeldet? Ruf an. Du vermisst die Gespräche? Sprich es aus. Du würdest gern wieder mal mit der Freundin Essen gehen? Findet einen Termin.

Tipps, wo ihr andere Mütter kennen lernen könnt:

  • Regionale Facebookgruppen
  • Stillgruppen
  • Krabbelgruppe
  • Rückbildungskurs
  • Auf Spielplätzen
  • Kirchengemeinde
  • Mütterforen
  • Babyschwimmen
  • Pekipkurse
  • Kinderflohmärkte
  • Kinderkrippe
  • Kleinanzeigen
  • Sprachkurs
  • Neues Hobby
  • Spaziergang (traut euch!)
  • Drogeriemarkt – der mit der Wickelstation – am Vormittag (kein Witz: Nur Eltern)

Und denkt dran: Ein Lächeln öffnet Türen (und Herzen).

Eure Victoria

Übrigens: Das Erziehungsmodell der Großfamilie hat in früheren Zeiten – und auch noch heute – viele Mütter vor Einsamkeit bewahrt. Mein Mann beispielsweise hat als Kind noch mit drei! Generationen unter einem Dach gewohnt. Doch in Industrienationen ist das generationsübergreifende Wohnen selten geworden. Daher ist es umso wertvoller, sich seine eigene “Großfamilie” zu schaffen. Wie das geht? Tanja von No Risk – No Mum gibt euch dazu einen grandiosen Einblick!


Diesen Beitrag habe ich bereits Mitte Oktober 2017 angefangen zu schreiben. Mittlerweile bzw. auch zuvor haben andere Blogger das Thema für sich entdeckt, schaut z.B. vorbei bei Puddingklecks, 2kindchaos, geborgenwachsen, dieAnderl, verflixterAlltag uvm. 

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Katja

    Zum Nachdenken und Mitfühlen. Ein toller Beitrag. Gerade wenn man sich am liebsten zurückziehen und einigeln will, sollte man nicht vergessen, offen auf andere zuzugehen. Für die Introvertierten unter uns nicht so einfach. Aber lohnend.

    1. Kuchenerbse

      Liebe Katja, vielen Dank. Da gebe ich dir total Recht. Aus der eigenen Frustration heraus zu gehen und offen zu sein – beileibe ein unglaublich großer Schritt. Aber danach geht es besser (ähnlich wie zum Sport aufraffen, denke ich mir manchmal). Alles Liebe für dich 🙂

  2. kleinstadtloewen

    Bei meinem zweiten Kind hat eine andere Mutter aus der Geburtsvorbereitung beherzt eine Whatsapp-Gruppe gegründet und auf regelmäßige Treffen “gedrängt” – mir war das zeitweise immer zuviel, weil ich schon ein Kleinkind mit vielen Extraterminen zuhause hatte – aber es war toll zu wissen, da ist eine Gruppe, die trifft sich jede Woche und ich kann dazukommen, wenn ich es schaffe. Und mit den Müttern aus den Krabbelgruppen des Löwenjungen habe ich zum Teil immer noch sehr engen Kontakt! (Auch mit den “nicht zugezogenen”!)Also nur Mut! Danke für die vielen Tipps – ich hoffe, sie kommen bei den richtigen Müttern an!

    1. Kuchenerbse

      Oh das ist ja toll, was für ein Engagement! Ja das glaub ich, mit zweien ist es dann komplizierter, aber wie du sagst, toll dass wer da ist! Ich hoffe es auch, es betrifft so viele… ?lg

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