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Sexueller Missbrauch im Sportverein: Alarmzeichen & Vorbeugung

Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Sportverein ist leider weit verbreitet: Das zeigt eine aktuelle Studie, die gerade veröffentlicht wurde. Einen 100-prozentigen Schutz vor sexueller Gewalt gibt es nicht. Aber wir Eltern können auf Alarmzeichen achten und Kinder stärken.

Triggerwarnung sexuelle Gewalt

Es passiert beim Turnen, beim Reiten, beim Schwimmen, im Handball- oder Fußballtraining und auch im Rudersport: Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen geschieht flächendeckend in Deutschland. Und das nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport.

Ich habe sexuelle Übergriffe selbst erlebt – in einem Reitverein – und hatte das Glück, relativ groß und kräftig (=wehrhaft) zu sein. Sexuelle Anzüglichkeiten und Übergriffe gehörten in einigen Ställen schon fast zum guten Ton.

“Ein bis zwei Kinder pro Schulklasse sind betroffen”

(Quelle: Kein Raum für Missbrauch, s.u.)

Mir ist es deshalb ein Anliegen, andere Eltern über dieses Thema zu informieren, auch wenn es momentan auf allen Kanälen läuft. Vielleicht erreicht es ja jemanden, der sich noch nicht damit auseinandergesetzt hat.

Wegsehen hat Methode

Sexueller Missbrauch findet meist im direkten Umfeld eines Kindes statt. Daher sind es in Sportvereinen häufig Bezugspersonen, die Trainer oder Lehrer, zumeist männliche Personen. Die Studie legt offen, dass im Umfeld der Kinder oder Jugendlichen häufig weggesehen wurde. Im Falle einer 13-jährigen, die sich an eine Vertrauenslehrerin wandte, war die Antwort: “Du musst aufpassen, das macht er mit vielen.”

Hier geht’s direkt zum Bericht der Studie 

Die Betroffene wusste damals keinen Weg aus der Misere. Das hat durchaus Methode: Die Täter suchen die Nähe der Betroffenen auf sozialer und emotionaler Ebene. Sonderbehandlungen, das Spiel mit der Angst, das sind allesamt Täterstrategien. Betroffene müssen Angst haben, Unterstützung im Sport zu verlieren, der Leistungsdruck ist hoch.

Schutzkonzept im Sportverein

Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Missbrauch. So ist es gesetzlich verankert, dass Trainer mit einem Eintrag im erweiterten Führungszeugnis nicht an Schulen unterrichten dürfen. Für Sportvereine gilt diese Regelung nicht überall. Viele Sportvereine haben sogar kaum Konzepte zum Thema sexueller Missbrauch: Das Thema ist unangenehm. Hat das euer Sportverein? Liegt dort ein Konzept vor?

Hilfe für Betroffene

Anonym anrufen beim “Hilfe-Portal sexueller Missbrauch”  unter 0800 22 55 530 oder Nachricht senden über die Webseite 

 Nummer gegen Kummer116 111

Den Verein N.I.N.A. hilft bei sexualisierter Gewalt 

Elterntelefon 0800 111 0 550 

Medizinische Kinderschutz-Hotline: 0800 19 210 00

Verein “Wildwasser” für Frauen & Mädchen 

Kein Generalverdacht: Es sind nicht alle Täter

Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass nicht jeder Trainer oder Trainerin unter Generalverdacht stehen sollte. Viele gute Trainer machen ihren Job ehrenamtlich nach ihrer eigentlich Arbeit, und sie machen das verdammt gut. Ich persönlich bin froh über das breite Sportangebot bei uns im Ort, und die Trainer geben sich alle Mühe.

Als Elter ist es natürlich schwierig abzuwägen, manchmal wittert man ja auch überall Gefahr. Ich möchte weder bagatellisieren noch dramatisieren. Ein Kind aus Angst vor möglichem Missbrauch nicht in den Sportverein zu schicken, ist sicher nicht der richtige Weg. Da sollte man sich als Mutter oder Vater selbst hinterfragen und sich gegebenfalls Hilfe suchen.

Anzeichen für sexuellen Missbrauch im Sportverein

Spoiler: Es gibt keine. Ja, leider gibt es nicht in jedem Fall eindeutige Anzeichen. Viele Kinder können das gut verschleiern, aus Angst, durch Manipulation oder Scham.

Anzeichen für sexuellen Missbrauch können u.a. sein:

  • Fernbleiben der Schule
  • ständige Kopf- oder Bauchschmerzen
  • Plötzliche Aggressionen
  • schlechtere Noten
  • Traurigkeit, Ängstlichkeit
  • Rückzug
  • Schlafstörungen
  • selbst verletzendes Verhalten
  • Hauterkrankungen
  • Suchtverhalten
  • Essstörungen
  • Konzentrationsschwächen

Einige Kinder werden verhaltensauffällig, aber auch hier können manchmal andere Gründe vorliegen: Einschneidende Erlebnisse wie Scheidung, Todesfall in der Familie oder Verlust eines Freundes, Liebeskummer und ähnliches kann ebenso Verhaltensänderungen zur Folge haben.

Kein Raum für Missbrauch

“Sexualisierte Gewalt an Mädchen und Jungen findet täglich, real und überall statt. Sexueller Missbrauch gehört noch immer zum Grundrisiko einer Kindheit in Deutschland. Die Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat zum Ziel, dass alle Einrichtungen und Organisationen in Deutschland wie Schulen, Kindertagesstätten, Heime, Sportvereine, Kliniken und Kirchengemeinden ebenso wie Anbieter von Kinder- und Jugendreisen Schutzkonzepte zur Prävention und Intervention einführen.” (…)

 

Prävention vor Missbrauch ist der beste Schutz

Im Interesse unserer Kinder müssen wir die selbigen stärken. Denn mental starke und aufgeklärte Kinder werden nicht so häufig Opfer von Missbrauch. Eine Garantie gibt es nie, aber wir Eltern können entscheidend dazu beitragen, unsere Kinder zu schützen.

Gute und schlechte Geheimnisse

Wir erklären den Kindern den Unterschied zwischen guten und bösen Geheimnissen. Was sich schlecht anfühlt, weh tut oder einen belastet ist ein schlechtes Geheimnis. Das jemandem anzuvertrauen, ist kein Petzen. Das darf man einer vertrauten Person weitererzählen.

Wir müssen anerkennen, zuhören und hinsehen

Vor lauter Stress hören wir manchmal nicht richtig zu oder sehen nicht genau hin. Das kommt Tätern zugute. Wir müssen uns Zeit für unsere Kinder nehmen und ihnen das Gefühl geben, dass wir auch in misslichen Lagen für sie da sind. Wir müssen sie schätzen, ihnen das Gefühl der Anerkennung geben. Sagen, dass sie gut sind wie sie sind. Kinder, die verzweifelt Anerkennung suchen, rennen bei Tätern offene Türen ein.

Kinder dürfen NEIN sagen

Kinder haben das Recht, NEIN zu sagen – vor allem, wenn es um ihren eigenen Körper geht. Das geht schon beim Essen los: Niemand sollte ein Kind zwingen, etwas zu essen, das es nicht will. Wie würden wir uns denn fühlen? Und uns dann fühlen, wenn jemand, der uns körperlich überlegen ist, das Essen reinzwingt?

Wir bringen unseren Kindern außerdem bei, dass sie über ihren Körper selber bestimmen dürfen. Manchmal fällt der Satz, wenn es ans Zähneputzen geht: “Ich darf selber über meinen Körper bestimmen”. Ich erkläre dann kurz, was die Folgen der ungeputzten Zähne sind, dann geht’s wieder 😉

Wir Eltern – und auch Großeltern – müssen Grenzen respektieren. Das gilt für Tantchens Wangenbussi, das Kitzeln und Toben mit erwachsenen oder älteren Bezugspersonen und eben auch fürs Essen. Nein heißt Nein.

Altersgerechte Aufklärung

Schon früh sollte man seine Kinder – natürlich dem Alter entsprechend – aufklären.

In bestimmten Phasen sind die Kinder sehr an diversen Themen interessiert: Kinder ab drei Jahren finden den Geschlechtsunterschied sehr spannend, ab vier Jahren stellen sie schon die Frage, wo Babys herkommen. Fünfjährige wollen wissen, wo die Babys wieder herauskommen und ab sechs wird’s konkreter: Wie kommen Babys in Mamas Bauch? Wir sollten ehrlich antworten, nicht zu sehr ins Detail gehen und daraus keinen wissenschaftlichen Vortrag machen. Bilderbücher kommen uns da ganz gelegen. Weiter unten liste ich Empfehlungen auf. Erläutert auch ruhig, dass Geschlechtsverkehr eine Sache der Erwachsenen ist und nicht für Kinder.
Fangt auch damit an, die Geschlechtsorgane korrekt zu benennen und keine niedlichen Kürzel zu nutzen.

Respektiert die Privatsphäre

Einige Eltern stellen Bilder ihrer Sprösslinge ins Netz. Leider auch Bilder, wo die Kinder auf dem Klo sitzen oder sonstwie vorgeführt werden. Von Videos mag ich gar nicht erst reden. Andere Eltern machen sich über erigierte Penisse ihrer Kleinkinder lustig oder reden am Essenstisch über die Köpfe der Kinder hinweg über deren Probleme. Was man sich immer fragen sollte: Wie würde es mir damit gehen? Denn das macht man nicht. Wir sollten nicht über, sondern mit unseren Kindern reden.

Auch das respektvolle Anklopfen an geschlossene Türen gehört zum guten Ton. So lernen Kinder, dass auch sie das Recht auf ihre Intimsphäre haben. So entscheiden Kinder und Jugendliche selbst, wer ihren Körper sehen darf und wer nicht.

Mit gutem Beispiel voran

Welches Elternteil kennt es nicht: Geschlechtsorgane oder Brüste sind wahnsinnig interessant und irgendwann wird das eigene Kleinkind die nackten Körper interessiert untersuchen wollen. Ein “Nein, das möchte ich nicht” zeigt dem Kind, dass jeder selbst über seinen Körper bestimmen kann.

Mehr gute Tipps zur Missbrauchs-Prävention hat das Familienministerium veröffentlicht.

Ans Herz möchte ich euch eines legen: Familie sollte immer ein sicherer Ort für Kinder sein. Häufig ist es das leider nicht, da sind dann Lehrkräfte und Erziehende in Kindertagesstätten gefragt. Aber wenn es euch möglich ist, bietet euren Kindern ein sicheres Zuhause zum Wohlfühlen. Und glaubt euren Kindern. Fragt nach, wenn euch etwas komisch vorkommt. Fragt nach, wenn ein Kind nicht mehr irgendwo hin möchte. 

Tipp: Nicht einfach auszuhalten, aber wichtig: WAS IST LOS MIT JARON: Ein Präventionskurs für Eltern, Erziehende und Lehrkräfte über sexuellen Missbrauch.

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Quelle: ARD, Tagesschau

Titelbild rawf8 shutterstock

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