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Blogserie Südtirol – Zeitreise: Retro rocks (2)

Frühstück mit Bergblick, Fundstücke der 70er Jahre, Fußballfreunde: Der erste Tag in Südtirol mit Kindern beginnt erfreulicherweise recht entspannt. Was sich schnell ändern sollte.

Tatsächlich schlafen wir das erste Mal seit sechs Jahren länger als acht Uhr: Um 08:03 Uhr sitzt der Filius kerzengerade im Bett und will die Rollläden hoch ziehen. Das wiederum führt zu einem ausgedehnten Protestgeschrei seitens der Zweijährigen, die gern noch Schlummern möchte. Eule und Lerche unter einem Dach, das kann ja nicht gut gehen. Vom Bayer ernte ich empörte Blicke; dazu muss man wissen, sein Krafttier ist die Giraffe, die braucht nur zwei Stunden Schlaf. Meins ist das Riesengürteltier, das braucht ziemlich viel Schlaf.

Brötchen und Kaffee für Instagram-Illusion

Naja, irgendwann müssen wir mal aufstehen. Die Sonne strahlt, der Mann ist unterwegs, frische Brötchen holen. Ich mache Kaffee und ziehe Eule und Lerche an. Mit Bergblick genießen wir das erste Frühstück. Urlaub könnte nicht schöner sein! Das sind die Instagram-tauglichen Bilder, die es in die sozialen Netzwerke schaffen. Das Chaos von vier Personen auf 35 qm ist beim Blick aus dem Fenster nicht sichtbar.

Weil die Kartons später auf den Balkon müssen, krieche ich erstmal auf allen Vieren über denselbigen und putze den Winterstaub weg. Ich lasse mir Zeit, alleine Balkon putzen ist wie Spa-Besuch. Drinnen kreischt das Kleinkind vor Begeisterung, der Große mault, weil er raus will und der Mann spielt Wildvogel-Dompteur. Diese Ruhe hier draußen – herrlich. Aber jeder Spaß hat mal ein Ende.

Von verborgenen Schätzen oder mein Herz schlägt rückwärts

Während die Kinder mit Roller und Puky das Parkdeck unsicher machen, räumt der Mann den Hänger aus – und ich die Küche. Wir haben tatsächlich Umzugskartons dabei! Organisation ist alles, das sag ich ja immer. Das Räumen dauert etwas an, ständig halte ich Rücksprache, was tatsächlich weg darf: Ersatz-Vorhang-Klipse? Ja. Servietten mit roten Prilblumen aus den 70ern? Nein. Komische Gummischnallen? DAS SIND SKIBINDUNGEN! RETRO! Alles klar, hängt jetzt dekorativ an der Wand. Ich stelle fest, dass man in dieser Wohnung große Partys schmeißen konnte, genug Geschirr wäre da. Mangels Platz war das aber nie drin. Ich bekomme zwei Kartons voll, die erstmal auf den geputzten Balkon dürfen.

Die Küche ist leer, die ersten Schränke verlassen nun – in Teilen – die Wohnung. Bei der Waschmaschine unterstütze ich den Mann. Unten stapeln sich nun neue und alte Küchenschränke auf dem Parkplatz. Die Kinder rasen mittlerweile mit ihren neuen Freunden und unseren Transportrollern das Parkdeck hinauf und hinunter. Ich guck gar nicht hin und räume zertrümmerte Küchenteile aus der Wohnung, während die Nachbarin erklärt, in den 40 Jahren, die sie hier wohnt, hätte sie den Mann noch nie hier gesehen. Aber gut, dass jemand mal renoviert, die meisten Leute würden in den Ferienwohnungen gar nichts machen. Nun ja, wenn das bei den anderen auch so altes Mobiliar ist, dann ist das auch noch gut in Schuss. Gebaut für die Ewigkeit. Und gemütlich.

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Die Kinder packen nun auch mit an, Meter machen, und schleppen Schrankteile nach unten. Wir sind gleichermaßen erstaunt und erfreut ob des Engagements und hoffen einfach, dass das zur Pubertät beibehalten wird.

Berglauf mit Hindernissen

Abends laufen wir in den Ort hinunter und wollen Essen gehen. Nach dreimaligen Mahnen lässt der Große den Roller auch brav stehen, im Ort geht es nämlich steil bergab und es gibt nicht überall Gehsteige. Rennen wir also den Kindern hinterher, weil bergab ja so lustig ist. Weil ich noch nicht genug in meiner Handtasche schleppe, beschließen wir außerdem noch rasch einzukaufen. Im kleinen Supermarkt entdecken dann die Kinder rote und blaue Lollis, ich hiesige Spezialitäten und der Mann sein Herz für Hustenbonbons. Die Tasche füllt sich. Weiter laufen wir bergab, nur um festzustellen, dass das Restaurant geschlossen hat. Also Berg wieder hoch, mit hungrigen Kindern. Das zweite Restaurant hat geöffnet, so ein Glück.

Auch hier hat sich seit den 70ern nicht viel verändert, und ich denke im Stillen, dass so eine Zeitreise auch etwas entschleunigendes hat. So muss Urlaub!

News: Südtiroler Toiletten demnächst im best of Lonely Planet

Während wir aufs Essen warten, erkundet die Tochter abwechselnd mit mir und dem Mann die Toilette. Nach dem fünften Anlauf merken wir, dass es ihr eigentlich nur ums Entdecken der Gaststätte geht, da wir auf dem Weg Rezeption, Küche, Hausflur und Treppen passieren. Notiz an mich: Wenn das Licht in der Kellertoilette ausgeht, während das Kind auf selbiger sitzt, nicht panisch rausrennen, sondern nach dem Schalter auf der Toilette tasten – erspart eine Menge Geschrei.

Spätzle sind nicht gleich Spätzle sprach schon Platon

Das geht dann auch gleich weiter, als das Essen kommt: Die Südtiroler Version von “Spätzle mit Soß” sind grüne Spinatspätzle in Schinken-Rahm-Sauce mit geriebenen Parmesan. Geschmacklich ein Highlight, doch dazu müsste Töchterchen erst einmal probieren. Dafür verspeist sie im Nachgang meinen Topfenstrudel quasi alleine. Das Zaudern kehrt beim Abschied zurück, sie schlägt die Handvoll selbstgebackener Kekse der Gastwirtin aus – zur Freude des Gr0ßen. Kinder und Essen – das Thema pausiert auch im Urlaub nicht….

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