Da sitze ich am Esstisch, neben mir krakeelt das Baby (Sopran!) und erklärt mir lang und breit, warum jetzt die richtige Zeit für Animation wäre. Der Sohn hätte gerne noch mehr Mandarine, blöd ja nur, dass wir keine mehr haben. Und Banane ist auch alle. Wutausbruch Nummer 7 (seit Ankunft aus Kindergarten) begleite ich ganz gelassen.
Meine Nerven hatten ja bereits Zeit, sich zu entladen:
Wutausbruch 1) Es gibt nur einen Keks statt “mehrere”
Wutausbruch 2) Das Essen ist Bäh
Wutausbruch 3) Keine Brezel zuhause, Essen ist immer noch Bäh
Wutausbruch 4) Mama hat von der Banane abgebissen: Das Rennauto mitsamt Fernbedienung küsst den Boden und zerspringt in Einzelteile
Wutausbruch 5) Essen ist Bäh, Mama ist doof
Wutausbruch 6) Es gibt keine Maus und kein Peppa Wutz zu sehen
Immer mit dabei: Das begleitende Krakeelen (wahlweise Erzählung und Protest) des Babys und das Gekreische der Katze, die glaubt, bei jedem Tür öffnen gäbe es etwas zu essen. Mittlerweile schallt Conny aus den Lautsprechern, ich versuche eine Sprachnachricht abzuhören.
Und da denke ich: Was wäre, wenn das dein letzter Tag wäre? Was bliebe den Kindern da im Gedächtnis?
“Sohn, du hast jetzt mal Pause auf dem Sofa” oder “Es gibt keine weiteren Kekse, Herrschaftszeiten”?
Da gibt es ja dieses neue Buch, die Schimpfdiät. Viele Beiträge drehen sich rund ums ruhig bleiben, wenn die Kinder ausflippen. Oder wenn ausflippen, dann bitte authentisch (!) und achtsam (!). Ja. Danke. Wenn die Nerven blank liegen, denke ich bestimmt nicht “oh, nun aber vorsichtig ausflippen, überleg mal lieber was du gleich sagst”. Da liegt der Kern begraben.
Natürlich, wir können alle lernen, mit Konflikten positiv umzugehen. Richtig streiten lernen (ja, kann man durchaus) gehört dazu und ist auch wichtig: Wie fühlen wir uns, wenn wir ungerecht behandelt werden? Richtig, ganz schön blöd. Und die Kinder, die müssen sich das mitunter sehr häufig am Tag anhören und fühlen sich sehr oft am Tag so. Echt uncool.
Also, was wäre, wenn heute dein letzter Tag wäre?
Würdest du etwas in deinem Verhalten ändern? Damit meine ich nicht, das Kind bis unters Kind mit Schoki vollzustopfen oder im wilden Aktionismus Freikarten fürs Bungeespringen zu besorgen. Damit meine ich die Alltagsgestaltung. Ich möchte, dass sich meine Kinder zuhause wohlfühlen und gerne hier leben. Jetzt sind Kinder ja sehr anpassungsfähig.
Ich überlege. Was wäre, wenn heute mein letzter Tag wäre?
Ich weiß es nicht. Aber der Gedanke macht mich sehr traurig, denn keiner von uns weiß, wann er gehen muss. Aber ich hoffe, dass sich die Kinder (zumindest der Älteste) auch positiv an mich erinnern werden. An die Ausflüge zum Bäcker mit der Spielecke. An die Laufrad-Spaziergänge. An die Mal-Sessions. An unser Eis-Essen. Aber noch viel wichtiger: An das gute Gefühl, zuhause zu sein.
Kann ich das vermitteln?
Heute mit philosophischen Grüßen
Victoria