Sankt Martin: Laternen werden im Akkord gebastelt, Rabimmel-Rabomm ist der Ohrwurm am Frühstückstisch und Martinsgänse Schmoren im Ofen. Hach, gute alte Tradition! Sankt Martin – am Mantelträger kommst du ja im November nicht vorbei. Und wenn, dann nur mit Strafzoll in Form von Martinsgans & Co.
Die Zeit um Sankt Martin ist beschaulich, festlich; Liebevoll gebastelte Laternen sind der ganze Stolz der Kindergartenkinder. Mütter versinken im Backrausch, die leckeren Sankt Martin-Gänse müssen bis zum 11. fertig sein. Mittlerweile habe ich ja auch ein Kindergartenkind, Gott sei Dank bastelt hier der Vater die Laterne, während wir alle krank im Bett liegen.
Ein Link für ein leckeres Rezept für den Teig findet ihr übrigens weiter unten im Text.
Dann ist er da, der große Tag: Bei Einbruch der Dunkelheit reitet Sankt Martin in edlem Gewand vorweg, Heerscharen von Knirpsen mit Laternen laufen hinterher und singen… So. Heerscharen von Knirpsen. An Sankt Martin. In der Dunkelheit. Singend. Laternen schwingend!
Lasst euch das bitte einmal auf der Zumge zergehen. Denn jetzt kommen wir:
Andrea*, meine Wenigkeit und Lilleput, das Pferd. Ja, früher, kinderlos, bin ich als Sankt Martin durch die Dörfer gezogen.
“Kennt ihr nicht jemanden, der ein braves Pferd hat?” So hallt es jährlich durch die Ställe. Also:
Pferd zu Sankt Martin eingepackt, auf den Hänger gestellt und in die Nachbargemeinde gedüst: Unser Timing war perfekt. Pünktlich zur Dämmerung fuhren wir auf den leeren Festplatz, das Pferd war etwas irritiert – um die Tageszeit gab es normalerweise Abendessen…
Helm mit Hindernissen – Sankt Martin soll wie Sankt Martin aussehen
Das Anziehen des edlen Gewands barg eine erneute Herausforderung: Der Kopfschmuck ließ kein Platz für den Reithelm: So schnell betet man innerlich zum Heiligen Sankt Martin! Da stand ich dann und fragte mich, ob das das denn wert sei, Kopf und Kragen zu riskieren, für ein paar Laternenschwenkende Kleinkinder…
Der Mantel hing, der Reiter sass: Los ging es zum Treffpunkt! Ein ganz neues Körpergefühl, auf dem fremden Pferd, ohne Helm (die Rüstung entsprach keiner DIN Norm).
Um die Ecke geritten, blieben wir rührselig stehen. Ok, nennen wir es einen ungeplanten Stopp anlässlich der 300 schwankenden Laternen: Die Knirpse trotzten wacker der Kälte und warteten mit Eltern und Erziehern aufs “Go!”. Ein Jubelschrei raunt durch die Menge, endlich, das Pferd ist da!
Ich gehe mit meiner Laterne…
Go war auch gleich das Stichwort: Lilleput wurde durch sanftes Schenkelklopfen meinerseits auf seinen Einsatz als Sankt Martins-Pferd erinnert.
Er träumt vermutlich heute noch von den Laternen! Und das nicht unbedingt positiv…
Im Schnecken-Schritt führen wir im Schritt den Sankt Martins-Umzug an; hinter uns stimmen die Knirpse die ersten Lieder an. Lilleput hält das für einen Anfeuerungsversuch und war bereit, alles zu geben – vor allem weg von den schaukelnden Laternen. Ein Pferd ist ein Fluchttier, erwähnte ich das bereits?
Der tollkühne Sankt Martin – ich – saß fortan total entspannt auf dem hohen Ross (höhö, Wortspiel), wohlwissend, dass das Pferd voll bei der Sache war. Nichts, aber auch nicht ein Funken entging dem riesigen Wallach unter mir. Ich trainierte meinen Schenkelschluss, nur für den Fall.
Die Ankunft von Sankt Martin
Wir biegen unter Gesang in die Zielgerade ein: Ein mit großen Feuerkörben beleuchteter Festplatz, dröhnendes Rabimmel aus den Boxen schallend. Sankt Martin für Fortgeschrittene. Die Kinder sind nicht zu halten, mit ihren Laternen sausen sie rechts und links an uns vorbei. Rabimmel Rabomm.
Mein Knieschluss ist übrigens fantastisch, Andreas Armmuskeln auch. Lilleput hätte natürlich das Rennen gemacht (höhö, noch ein Wortspiel), wenn wir nicht die Spielverderber gemimt hätten. Wir blieben im Schritt und hofften das beste.
Erwähnte ich das Feuer? Ja? Lilleput, ohne jegliche Ausbildung zu Polizei- oder Ritterpferd, umkreiste die Feuerstellen wie die Motte das Licht. Quäääääääk! Der Lautsprecher. Fiiieeep. Hoppla. Test, eins zwei.
Feuer und Flamme für Sankt Martin
Uff. Ich sitze noch, wir umkreisten die Feuer nun ein wenig schneller und hoffen, dass wir gleich gehen dürfen. So eine Martinsgans esse ich auch auf dem Pferd, kein Problem. Nur weg hier!
Nix da! Es wird jetzt gefälligst auch Sankt Martin aufgeführt! Zack, Drei Knirpse mit Steckenpferd betreten die Arena und beginnen, der krächzenden Stimme aus dem Lautsprecher Folge zu leisten.
Oh du Heiliger!
Wir passen auf, dass sich kein Knirps im Huf festtritt und ziehen weiter Kreise. Was ist schon ein wenig Funkenflug? Die Kinder hüpfen unbeirrt mit ihren Steckenpferden und den langen Mänteln um uns herum. Ich schiele auf den Notausgang, war der auch frei? Lilleput war nervlich nicht mehr ganz bei der Sache. Sollten wir abbrechen?
Endlich, es gibt die ersehnten Backwaren! Sankt Martin für alle. Erst recht für das Pferd. Wir verabschieden uns hastig, mit Martinsgans in der Hand. Schnell zurück zum Anhänger. Meinen Mantel durfte ich behalten. War auch besser so, es war ******kalt!
Und nun? Nun stehe ich auf der anderen Seite. Mit Knirps und Laterne. Olé!
AHA! Sankt Martin zu Pferd spielten wir drei Jahre, dann wurde es eng ums Feuer und uns zu gefährlich. Lilleput war beim ersten Mal erst fünf Jahre alt und war immer brav und abgeklärt. Dafür hat Andrea viel trainiert; drei Wochen zuvor belegten beide Platz eins einer Gelassenheitsprüfung. Andrea hat ihn keine Sekunde von der Sicherheitsleine gelassen. Zwei Erzieherinnen schirmten uns mit Sperrband ab, damit die Kinder nicht zu nahe kamen. Safety First!
*Name geändert
Rezept für Sankt Martin Weckmänner/ Gänse findet ihr bei Zuckersüße Äpfel – hier geht es zum detaillierten Rezept!